22.08.2019

Drei Wochen noch

"Sport has the power to change the world. It has the power to inspire, it has the power to unite people in a way little else does." - Nelson Mandela

 

Wenn ich am 11.09 in Johannesburg in den Flieger nach Frankfurt steige, habe ich einfach 359 Tage in dem wunderbaren Südafrika verbracht. Es ist beängstigend, wie schnell die Zeit doch rumging. Ich habe ein Jahr in einem mir fast komplett unbekanntem Land verbracht und mir kommt es immer noch so vor, als wäre ich erst seit einem halben Jahr hier. Seit März habe ich das Gefühl, dass die Monate mit Blitzgeschwindigkeit an mir vorbeigerast sind und jetzt sitze ich hier – drei Wochen vor meinem Rückflug. Aber jetzt kommen auch wieder die Fragen auf, die ich mir schon letztes Jahr im Septemer gestellt habe.

 

Habe ich mich sehr verändert? Ich glaube nicht. Ich habe hier meine Erfahrungen gemacht und konnte viel über mich und meine Belastungsgrenzen lernen, aber ich bin immer noch Nati. Außer dass ich jetzt Kinder ein bisschen mehr mag als vorher und am liebsten die Hälfte der Klassen 1 bis 3 mit nach Hause nehmen würde. Aber ich glaube das gilt dann als Entführung, obwohl fast alle Kinder mich „Mama“ nennen und schon gefragt haben, ob ich sie denn nicht mitnehmen kann.

 

Haben sich die Beziehungen zu meinen Freunden verändert? Das ist schon ein bisschen komplizierter zu beantworten. Zu einigen hatte ich mehr, zu anderen etwas weniger Kontakt. Es gibt auch einige, zu denen ich vor meinem Abflug gar keinen Kontakt hatte und mit denen ich jetzt ab und zu mal schreibe. Sind Freundschaften zerbrochen? Bestimmt. Aber wenn es nicht sein soll, dann soll es nicht sein. Ich hatte die Chance, hier viele tolle Menschen kennenzulernen und neue Freundschaften zu schließen. Ich weiß, dass ich mich bei Problemen immer an einige aus meiner WG aber auch aus der East London WG wenden kann. Ich werde meine Lavender Blue Dates und die langen Nächte im Partycaddy mit Amelie sowie die langen Gespräche mit Joost auf dem Schulweg oder abends im Zimmer echt vermissen. Aber ich habe auch zu Hause in Vechelde meine Leute, die mir trotz der Distanz durch schwierige Phasen geholfen und sich immer Zeit für lange Telefonate genommen haben.

Ich bin Euch dafür so unedlich dankbar und freue mich so darauf, Euch endlich wiederzusehen und ganz dolle knuddeln zu können!

 

Vermisse ich meine Familie? Auf jeden Fall. Auch wenn ich Mama und Papa im Februar und Johanna im März sehen konnte, fehlen sie mir trotzdem echt dolle. Es ist doch schon nochmal was anderes, bei Problemen oder Neuigkeiten einfach kurz runter ins Wohnzimmer zu gehen, sich bei Mama und Papa mit ins Bett zu legen oder bei Johanna schnell im Zimmer vorbeizuschauen, als wie hier eine ausführliche Nachricht schreiben zu müssen oder zu warten, bis beide Parteien Zeit für ein Telefonat haben. Dieser Unterschied war mir am Anfang des Jahres gar nicht so dolle bewusst und ich bin echt glücklich darüber, dass mir Mama, Papa und Johanna zu Hause immer zur Seite stehen. Ich freue mich auch echt darauf, wieder mit dem Stinker (keine Sorge Papa, ich meine nicht dich sondern Grete) kuscheln zu können, obwohl sie wahrscheinlich erstmal einen Moment brauchen wird, um zu verstehen wer ich bin. Aber ich freue mich natürlich auch darauf meine Großeltern wiederzusehen, auch wenn diese sehr Handyaffin sind und immer fleißig meine Instagramstorys verfolgen oder meine WhatsApp-Nachrichten ausführlich beantworten. Es gibt trotzdem noch viel zu erzählen und ich freue mich sehr darauf, Euch alle wieder in meine Arme schließen zu können! Das gilt natürlich auch für die Kovacs und den Rest des Kolan-Clans.

 

Haben mein Projektpartner und ich uns gut verstanden? Bei Joost hatte ich anfangs ja krasse Bedenken, dass er und ich uns überhaupt nicht verstehen würden. Wir sind beide immer noch sehr starke und durchsetzungsfähige Charaktere, aber wir ergänzen uns gut. Joost und ich haben als Projektpartner/Team eine ziemlich interessante Entwicklung gemacht, da wir sehr weit unten angefangen haben aber es seitdem stetig bergauf gegangen ist. Mittlerweile teilen wir uns ja sogar ein Zimmer. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit keinem aus der WG so gut arbeiten könnte wie mit Joost. Klar ist man auch mal genervt voneinander, aber Joost und ich können darüber echt gut reden und uns dann auch am Riemen reißen. Wenn wir uns eine Projektidee in den Kopf gesetzt haben brauchen wir vielleicht ein bisschen länger, um die umzusetzen und alles zu organisieren, aber was auch immer wir machen, machen wir richtig gut!

 

Allgemein kann ich mich mit allem an Joost wenden und er steht mir dann mit Rat und Tat zur Seite. Ich hätte anfangs echt nicht gedacht, dass sich aus dieser Projektpartnerschaft eine so gute Freundschaft entwickeln würde und ich weiß jetzt schon, dass ich ihn in Deutschland echt dolle vermissen werde. Einfach die morgendlichen Gespräche, der gemeinsame Schulweg oder das Singen auf den Autofahrten nach East London. Ich hätte keinen besseren Projektpartner kriegen können!

 

Freue ich mich auf den neuen Lebensabschnitt? Jetzt wo der Abflug immer näher rückt, freue ich mich umso mehr auf das, was auf mich in Deutschland zukommt. Ich bin extrem gespannt aufs Studium, ob das wirklich das richtige für mich ist, ob vielleicht jemand in meinem Studiengang ist, den ich kenne und wie gut ich damit klarkomme, meinen Kopf wieder anzustrengen. Weil das musste ich hier in Südafrika definitiv nicht. Zudem bin ich sehr gespannt darauf, wie sich die Beziehungen zu den anderen Freiwilligen aus meiner WG entwickeln werden, wenn man sich nicht mehr jeden Tag sieht. Bei einigen bin ich mir sicher, dass ich zu denen kaum oder gar keinen Kontakt mehr haben werde, aber die Verhältnisse hier in Berlin haben sich in den letzten Monaten auch sehr stark verändert. Auf der einen Seite bin ich echt froh darüber, nicht mehr in so einer großen Wohngemeinschaft leben zu müssen, vor allem weil wir hier in Berlin im Alltag schon ziemlich eingeschränkt sind und sehr viel aufeinander sitzen. Dass da irgendwann die Luft raus ist, ist kein Wunder. Auf der anderen Seite wird es vor allem anfangs total ungewohnt, alleine im Zimmer aufzuwachen und nicht die gewohnten Gesichter tagtäglich um einen zu haben. Ich habe hier viele schöne und schlechte Erfahrungen gemacht, aber ich freue mich auch darauf, neue tolle Erfahrungen mit neuen und alten Freunden zu machen.

 

Was habe ich über Südafrika gelernt? Die Kultur in Südafrika ist sehr vielseitig. Hier in unserer Region treffen zwar hauptsächlich nur Xhosa und Afrikaans aufeinander, die Ansichten und Lebensweisen von diesen Menschen sind teilweise trotzdem grundverschieden. Die politische Situation ist ziemlich kompliziert, da fast alle Parteien von der Korruption beherrscht werden. Als hier die Wahlen waren haben wir rausgefunden, dass es in Südafrika die „Gegenseite“ zur AfD gibt. Die Parteimitglieder wollen zum Beispiel, dass alle weißen Südafrikaner enteignet und aus den Führungspositionen geworfen werden, so wie das zu Zeiten der Kolonialisierung und Sklaverei bei den dunkelhäutigen Afrikanern gemacht wurde. Wie weit diese Ansicht unter den Südafrikanern verbreitet ist kann ich leider nicht sagen, weil ich darüber nichts weiß und hier keine falschen Informationen verbreiten möchte. Ich habe nur erfahren, dass fast alle Südafrikaner uns gegenüber sehr aufgeschlossen und gastfreundlich waren. Wir wurden teilweise an der Supermarktkasse angesprochen, was für eine Sprache wir denn sprechen und was wir hier in Südafrika machen. Uns wurde echtes Interesse, aber auch Dankbarkeit für unsere Arbeit hier entgegengebracht. Im Gegensatz zu vielen Europäern lebt der Hauptteil der Südafrikaner nicht gehetzt und legt auf Pünktlichkeit nicht den allzu größten Wert. Da kann sich das „now now“ (= jetzt gleich) auch schonmal über den Zeitraum von einer halben Stunde oder Stunde erstrecken. Und wenn der Leichtathletikwettkampf um 10 Uhr beginnen soll, fängt er frühstens um 11 Uhr an. So richtig gewöhnt man sich da nie ran, vor allem wenn man aus Deutschland kommt und da alles immer relativ zackig geht, aber man lernt entspannter damit umzugehen. Viele Südafrikaner, unabhängig der Hautfarbe, fanden es auch total verwundern, wenn wir ihnen erzählt haben dass auch in Deutschland Menschen mit einem dunkleren Hautton leben. Auf der Gegenseite habe ich aus meinem Freundeskreis auch ähnliche Vorurteile zu hören bekommen also hier nochmal für alle: ja, es gibt auch weiße Südafrikaner und die machen nicht mal so ein kleinen Teil aus. Und ja, es gibt sowohl wohlhabende weiße als auch schwarze Südafrikaner. Aber auf der anderen Seite herrscht hier auch sehr viel Armut. Wir fahren jedes Mal auf dem Weg nach East London an einem der größten Townships Südafrikas vorbei, dem Township in Mdtansane/Fort Jackson. Die südafrikanische Regierung versucht allerdings mittlerweile, soweit ich es mitbekommen habe, in den großen Townships die Wellblechhütten durch kleine Häuser zu ersetzen, sowie Schulen und Stromsysteme zu bauen.

 Ich war ja wirklich schon in vielen verschiedenen Ländern und hatte auch schon die Chance, in einigen für einen längeren oder kürzeren Zeitraum zu leben, aber ich kann Südafrika damit einfach nicht vergleichen. Die Lebensstandards sind einfach ganz anders, ich meine für uns ist alles viel günstiger als in vielen europäischen Ländern. Mir kommt es immer so vor, als würden die Menschen hier viel entspannter leben als wir, weil sie sich einfach nicht so schnell auf die Palme bringen lassen. Und wenn es dann halt mal für mehrere Tage kein Wasser oder kein Strom gibt, muss man halt kreativ werden.

 

Welche Projekte stehen jetzt noch an? Joost und ich hatten für den letzten Monat noch einige Projektideen, die wir gerne durchsetzen wollten. Mit den beiden 2. Klassen haben wir jetzt T-Shirts bemalt, das Projekt kam nicht nur bei den Kindern sondern auch bei den Lehrern richtig gut an. Uns wurde schon von einigen Lehrern aufgetragen, ihnen auch ein T-Shirt zu bemalen. Es war richtig schön zu sehen, wie sich die Kinder kreativ ausgetobt haben, vor allem weil die Lehrer normalerweise gar nicht richtig die Chance haben, mit den Kleinen Kunstunterricht zu machen. Mit der 2J haben wir beim malen Weihnachtslieder gehört obwohl es draußen gefühlt 30 Grad waren, da haben Joost und ich uns auch ein bisschen verdutzt angeguckt. Die schönsten Bilder vom malen könnt ihr hier finden. Ansonsten steht immer noch der Plan „Hollywood“ neu anzumalen, das haben wir bisher leider noch nicht geschafft, da Mrs Van Niekerk oft die Pläne durchkreuzt wurden. Joost und ich haben jetzt auch angefangen, uns an der Poolwand zu verewigen, wie ihr auch unten auf den beiden Bildern sehen könnt. Allerdings ist das Bild noch nicht vollständig, da sich die Drittklässler dort noch mit ihren Händen verewigen sollen. Die Abschiedsgeschenke werden jetzt auch schon vorbereitet, damit sowohl die Lehrer als auch die Kinder eine kleine Erinnerung an uns haben!

 

Das wars jetzt erstmal wieder aus Südafrika! Bis bald!

Kommentare: 2
  • #2

    Mama (Samstag, 31 August 2019 14:30)

    So ein schöner blogeintrag. Wir freuen uns auf deine Rückkehr. Kuss Mama

  • #1

    Julia (Donnerstag, 22 August 2019 22:12)

    Ich freue mich schon so dolle darauf, dass du wiederkommst. Die Zeit ist so unfassbar schnell vergangen, dass ich dachte, du wärst nur vier bis fünf Monate weg gewesen. Ich freue mich, dich endlich wieder knuddeln zu können und möchte noch viel mehr Details aus Berlin hören, als das, was ich schon weiß.
    Ich vermisse dich und freue mich auf dich!
    Dein Gummibärchen aus dem fernen Vechelde ❤